Künstliche Intelligenz II: Aufs Lernen für die Praxis programmiert
Unter den Methoden, die bei der Künstlichen Intelligenz (KI) in der Praxis eingesetzt werden, spielt das "maschinelle Lernen" (ML) eine zunehmend wichtige Rolle. Den Kern von ML bilden sogenannte "lernende Algorithmen". Ihre Funktion beleuchtet – in der zweiten KI-Folge – der dritte Teil unserer Digitalserie.
Algorithmen sind aus unserem modernen Leben nicht mehr wegzudenken. Sie steuern sämtliche digitalen Prozesse und Geräte und liegen jedem Computerprogramm zugrunde. In ihrer klassischen Form umfassen sie eine Folge von Anweisungen und bestehen aus vielen genau definierten Einzelschritten.
"Maschinelles Lernen" (ML) wiederum basiert auf lernenden Algorithmen. Diese Algorithmen berechnen – anders als herkömmliche, regelbasierte Algorithmen – ein Ergebnis nicht einfach durch Abarbeiten einer Folge von Befehlen. Vielmehr durchlaufen sie zunächst eine "Trainingsphase". Dabei werden interne Zahlenwerte durch das Verarbeiten einer großen, oft riesigen Menge von Beispieldaten so verändert, dass der Algorithmus Muster einübt, neue Merkmale erkennt und sich seine Funktionsweise und damit auch seine Ergebnisse schrittweise verbessern. Man sagt, das System wird "trainiert", oder eben auch, der Algorithmus lernt.
Viele Einsatzbereiche
Verglichen mit dem menschlichen Lernen ist das maschinelle Lernen ein aufwändiger Prozess: Ein Kind lernt anhand weniger Beispiele, einen Hund von einer Katze und einen Apfel von einer Birne zu unterscheiden. Ein Algorithmus braucht dagegen in der Regel sehr viele Trainingsbeispiele, bis er ausschlaggebende Merkmale (Muster) erkannt hat und die
Unterscheidung sicher beherrscht.
Dafür sind aber die Anwendungsmöglichkeiten geradezu unbegrenzt: ML-Systeme werden trainiert, um Handschriften zu lesen, gesprochene Sprache zu verstehen und zu übersetzen, Spam-Mails auszusortieren und bei medizinischen Diagnosen krankes Gewebe zu identifizieren. Außerdem lernen sie, beim assistierten Fahren Verkehrsschilder
und Spurlinien zu erkennen, anspruchsvolle Spiele zu gewinnen, passende Partner zu vermitteln, Stimmungen in Gesichtern zu erkennen und im Internet Hass-Mails und Fake News zu identifizieren und auszusondern.
Zum Einsatz kommt ML-Software heute bereits auch bei der Bewertung der Kreditwürdigkeit von Bankkunden, der Festlegung von Versicherungskonditionen, der Vorauswahl in Bewerbungsverfahren und im Börsenhandel. Und wenn wir im Internet lesen "Das könnte Sie auch interessieren ..." , also bei personalisierten Kaufempfehlungen, ist ML im Spiel, ebenso wie bei Routenplanern, Sprachassistenten wie Alexa, Cortana, Siri, Google Assistant und vielen weiteren Apps, die täglich weltweit von vielen Millionen Menschen benutzt werden.
Die Liste solcher Anwendungen ließe sich beliebig fortsetzen, und ständig kommen neue hinzu. Bei manchen dieser Anwendungen funktioniert das Lernen schon sehr gut, bei anderen sind die Lernergebnisse noch stark verbesserungsbedürftig. Aber der Trend ist klar: Bei immer mehr Anwendungen werden immer überzeugendere Ergebnisse erzielt.
Wenn ML-Systeme Entscheidungen treffen, können Menschen davon unmittelbar betroffen sein. Wie kann man sicherstellen, dass solche "ML-Entscheidungen" kontrolliert und eventuell korrigiert werden können? Auf solche Fragen und die rechtlichen, gesellschaftlichen und ethischen Aspekte von Künstlicher Intelligenz geht die nächste Folge ein.
Künstliche Intelligenz I: Von Menschen für Menschen geschaffen
Der Begriff ist sperrig, hat aber Potenzial, das Wort des Jahres zu werden: "Künstliche Intelligenz" ist in aller Munde. In drei Teilen der neuen Digitalserie beleuchtet prisma die praktischen Anwendungen, Perspektiven und auch Grenzen von KI.
Täglich wird in den Medien über "Künstliche Intelligenz" (KI) berichtet. Im Sommer 2018 unterhielt sich Bundeskanzlerin Angela Merkel auf einer Digital-Konferenz in Berlin mit "Sophia", einem mit KI ausgestatteten Roboter. Das Wissenschaftsjahr 2019 ist KI gewidmet. Das alles macht deutlich: Längst ist das Thema nicht mehr Science-Fiction,
sondern in der Gegenwart angekommen.
Und in der Tat: Die Anwendungsgebiete von KI sind enorm und reichen bereits heute von der Bild-, Gesichts- und Handschrifterkennung über die Sprachverarbeitung und das automatische Übersetzen von Texten bis zu automatisierten Diagnoseverfahren in der Medizin. KI und Algorithmen des sogenannten maschinellen Lernens spielen insbesondere bei den immer ausgefeilteren Fahrassistenten für Autos eine entscheidende Rolle – bis hin zum schließlich autonom fahrenden Auto.
Im Alltag angekommen
Allerdings fehlt eine einheitliche Definition von KI. Experten sprechen von KI, wenn ein technisches System – ein Roboter, ein Computer, ein Algorithmus – sich "intelligent" im Sinne menschlicher Intelligenz verhält. Eine präzise Beschreibung ist das aber nicht, weil die menschliche Intelligenz viele verschiedene Facetten hat – neben den kognitiven auch emotionale und soziale Komponenten. Ein vom Mathematiker Alan Turing im Jahre 1950 konzipiertes Gedankenexperiment, der sogenannte "Turing-Test", liefert bis heute einen Maßstab für die Nähe zwischen KI und menschlicher Intelligenz. Demnach hat ein KI-System den Test bestanden, wenn man dem System beliebige Aufgaben stellen kann und aus den Lösungen nicht geschlossen werden kann, ob man es mit künstlicher oder menschlicher Intelligenz zu tun hat.
KI ist seit Mitte des vorigen Jahrhunderts Gegenstand der Forschung und Entwicklung. In Deutschland gehört das 1988 gegründete "Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz" zu den Pionieren. Entscheidend für die enormen Erfolge mit KI in den letzten 20 Jahren war die enorme Leistungssteigerung von Computern. Heute rechnet bereits ein
Smartphone ungefähr so rasant wie der schnellste Computer der Welt vor 30 Jahren – und die Menge verfügbarer Daten wächst weltweit geradezu explosionsartig.
KI ist im Alltag angekommen und unterstützt uns – oft unbemerkt – in vielen Lebensbereichen. Längerfristig sollten KI-Systeme dem Menschen alle uninteressanten und gefährlichen Arbeiten abnehmen und ihm die Möglichkeit geben, sich kreativen Tätigkeiten zu widmen. Gleichzeitig verlangen die mit KI-Systemen verbundenen rechtlichen und ethischen Fragen nach Antworten, aus denen Leitlinien für den zukünftigen Umgang mit KI hervorgehen sollten. Grundsätzlich steht fest: Die KI-Entwicklung liegt in der Hand von Menschen, KI-Systeme sind Programme oder Maschinen – sie entwickeln sich nicht von selbst oder aus eigener Initiative.