Algorithmen sind in aller Munde, sie steuern unsere gesamte Elektronik – vom Smartphone bis zum Atomkraftwerk. Und: Sie gelten als übermächtig, für manche sogar als manipulativ und gefährlich. Doch was sind Algorithmen eigentlich? Welchen Nutzen haben sie – und welche Risiken bergen sie? Das klären wir in unserer neuen, dreiteiligen prisma-Serie.

Wie man multipliziert, addiert oder dividiert, wissen wir noch aus der Schule. Addition, Multiplikation und Division sind Rechenverfahren, die jeder kennt. Und genau solche einfachen Rechenverfahren sind typische Beispiele von Algorithmen. Das mag verwundern, weil sich viele darunter etwas viel Komplizierteres, Unverständliches vorstellen. Vor allem macht vielen Menschen Angst, was man über „die Algorithmen“ liest: Sie wissen alles, sie beherrschen uns, treffen lebenswichtige Entscheidungen, ohne dass wir es merken, sie kennen unsere Vorlieben und Schwächen und wissen viel mehr über uns als unsere Partner. Sie können Handlungen vorhersagen, und natürlich sind sie bei weitem intelligenter als wir. Kurz: Algorithmen wird eine ungeheure Macht zugeschrieben. Und schon das Wort „Algorithmus“ ist vielen irgendwie unheimlich. Aber stimmt dieses Bild? Da gibt es doch die vielen digitalen Geräte, die unser Leben bequemer und sicherer machen, uns Arbeiten abnehmen, Kommunikation ermöglichen, Wissen zugänglich machen, Fragen beantworten. Wir haben Zugriff auf eine Fülle von Apps, die uns begleiten, unsere Schritte zählen, uns den günstigsten Weg weisen, auf unsere Gesundheit und unsere Ernährung aufpassen, uns unterhalten, informieren, uns Einkaufsmöglichkeiten, Hotels und Flüge, aber auch passende Partner empfehlen. Und auch hier sind es Algorithmen, die – als Computerprogramme – im Inneren der Geräte und Apps dafür sorgen, dass uns alle Funktionen jederzeit zur Verfügung stehen. Sind das nicht erfreuliche Entwicklungen, die wir nicht mehr missen möchten? Also was denn nun? Sind diese unsichtbaren, geheimnisvollen Algorithmen überwiegend hilfreich oder doch eher gefährlich und bedrohlich? Und: Was sind Algorithmen denn nun überhaupt?

Befehlsketten für Computer

Das Wort „Algorithmus“ geht auf den Namen des Universalgelehrten Al-Chwarizmi zurück, der um 800 nach Christus in Bagdad lebte und unter anderem Rechenmethoden lehrte. Etwas vereinfacht sind Algorithmen Vorschriften dafür, wie man eine Aufgabe in Einzelschritten lösen kann, meist eine festgelegte Reihe von Anweisungen, die einem Computer sagen, was er tun soll. Oder genauer: Ein Algorithmus ist eine präzise, eindeutige, aus endlich vielen Einzelanweisungen bestehende Handlungsvorschrift zur Lösung eines Problems oder einer Gruppe von Problemen, die „terminiert“ – was bedeutet, dass die Handlung auf jeden Fall zu einem Ende kommt und nicht endlos weitergeht. In diesem Sinne ist auch ein detailliertes Kochrezept ein Algorithmus (nicht aber eine bloße Zutatenliste), ebenso eine bildliche Aufbauanleitung für ein Regal oder eine eindeutige Wegbeschreibung.

Ohne Algorithmen geht nichts

Doch welche Rolle spielen Algorithmen bei der „digitalen Transformation“ oder Revolution, die mit Schlagworten wie Big Data, Industrie 4.0, Smart City, Internet der Dinge oder Künstliche Intelligenz beschrieben wird? Diese Transformation bezieht sich erstens auf die Computer, zweitens auf die Verbindungsnetzwerke zur Datenübertragung, drittens auf die Datenbestände und viertens auf die Algorithmen: Computer werden immer schneller und leistungsfähiger – ein Smartphone ist heute ungefähr so leistungsfähig wie der schnellste Computer vor 30 Jahren.

Bei den Datennetzen besteht in Deutschland zwar noch Nachholbedarf, die Bundesregierung verspricht für die nächsten Jahre aber Durchbrüche dank Glasfasernetzen. Auch die unermesslichen Datenbestände wachsen explosiv; mit allem, was wir tun, hinterlassen wir Datenspuren, etwa wenn wir ein Smartphone benutzen oder es auch nur bei uns haben. Und die Algorithmen laufen unsichtbar und lautlos im Innern der digitalen Geräte und steuern alles: Ohne Algorithmen geht digital nichts. Und es ist die ständig anwachsende Datenfülle, aus der mit Hilfe immer besserer Algorithmen weitestgehende Schlüsse gezogen werden können – über unser gesamtes Leben, das öffentliche und das privateste.

Diese „intelligenten“ Algorithmen gelten – insbesondere in den Medien – deshalb als übermächtig, als in ihren Auswirkungen nicht mehr beherrschbar. Und sofort stellt sich die Frage nach Gut oder Böse. Dazu ganz grundsätzlich: Diese Frage lässt sich für Algorithmen genauso wenig beantworten wie die Frage nach der Gut- oder Bösartigkeit einer mathematischen Formel oder eines Werkzeugs – es ist mit den Algorithmen wie mit dem Messer, das so nützlich und unverzichtbar im Alltag ist, aber auch als Mordinstrument verwendet werden kann. Dem entspricht, dass der gleiche Algorithmus sowohl für humane als auch für ungesetzliche, menschenverachtende Zwecke eingesetzt werden kann. Nehmen wir als Beispiel einen Bild erkennungsalgorithmus, der, je nachdem, auf welche Daten er angewendet wird, zur gesetzwidrigen, unsere Privatsphäre missachtenden Ausspähung oder zur lebensrettenden Erkennung von Krankheiten eingesetzt werden kann.

 

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